Was ist die Präklinik?
Wenn eine Substanz Jahre der Grundlagenforschung hinter sich und viele
verschiedene Tests bestanden hat, geht sie in die Phase der
prä(vor-)klinischen Erprobung. In der Regel werden mehrere Substanzen zu
einem „Wirkstoffkandidaten“ zusammengefasst, dem man das „Zeug zum
Medikament“ zutraut. Dieser Wirkstoff wird jetzt einem Härtetest
unterzogen. Vor allem die Schädlichkeit muss ausgeschlossen werden:
- Ist der Wirkstoff giftig?
- Wenn ja, in welcher Konzentration?
- Verändert er die Zellen, löst so eventuell Krebs aus?
- Wie wirkt er auf Embryonen?
In präklinischen Studien wird der Wirkstoff in Laborversuchen und an
Zellkulturen erprobt. Danach muss die Wirkung in einem gesamten
Organismus beobachtet werden. Das Gesetz schreibt hier Tierversuche an
mindestens zwei Tierarten vor. Dann beginnt erst die klinische
Untersuchung eines Wirkstoffes an Patienten. Seit der ersten Forschung
bis zu diesem Punkt sind oft mehr als 5 Jahre vergangen.
Was bedeuten Phase I, II und III?
In der klinischen Phase wird der Wirkstoff an Probanden und Patienten
getestet. Dabei unterscheidet man in der klinischen
Arzneimittelforschung drei Phasen:
- Phase I: Das Medikament wird an wenigen gesunden Menschen getestet,
den sogenannten Probanden.
- Phase II – Das Medikament wird an wenigen kranken Menschen getestet.
- Phase III – Das Medikament wird an vielen kranken Menschen getestet.
Die hierfür geplanten Studien werden in der Regel von spezialisierten
Firmen durchgeführt. Diese CROs, die Contract Research Organisationen,
organisieren und bewerten die klinische Studie in enger Abstimmung mit
dem Hersteller. Die CROs haben Niederlassungen in vielen Ländern. So
kann ein Medikament länderübergreifend erprobt werden. Hier fängt schon
das Marketing an: Ein Medikament soll, hat es die klinische Erprobung
bestanden, international erfolgreich eingesetzt werden.
Jede klinische Studie wird vor ihrer Durchführung genau geprüft:
Nationale Behörden und sogenannte Ethik-Kommissionen sorgen für die
Sicherheit und Einhaltung von Standards. In der Ethik-Kommission werden
die bislang überwiegend pharmakologischen, biochemischen und
medizinischen Sichtweisen ergänzt. Darum sind dort neben erfahrenen
Medizinern auch andere Professionen vertreten: Juristen, Theologen,
Soziologen und auch Laien bringen ihre Sichtweisen, eventuell auch ihre
Bedenken ein.
Diese können einer späteren Verwendung eines Medikaments gelten.
Natürlich sorgen sie aber für den notwendigen Schutz aller Probanden und
Patienten einer solchen Studie. Vor einer Studienteilnahme müssen
Probanden sowie Patienten ausreichend über die Studie, das zu testende
Medikament und eventuelle Risiken informiert werden. Im Extremfall wird
eine Studie bei fehlendem Nachweis von Wirksamkeit oder unerwarteter und
nicht zumutbarer Nebenwirkungen beendet. Im positiven Fall biegt die
Studie jetzt auf die Zielgerade ein.
Wann wird ein Medikament auf dem Markt zugelassen?
Der Hersteller beantragt die Zulassung, wenn alle Studien erfolgreich
bewertet wurden. In der EU ist die EMA (European Medicines Agency) in
London zuständig. Hierfür berechnet diese Gebühren: Im einfachsten Fall
kostet die Bearbeitung für die Zulassung einer neuen Substanz über
250.000 Euro. Auch eine nationale Zulassung beim Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn und dem
Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen bei Frankfurt a.M. sind möglich.
Die Zulassungsinstitutionen anderer Länder übernehmen dann nach kurzer
Prüfung die bisher nur nationale Zulassung.
Ausgedruckt würden diese Daten auch mal über 500.000 Seiten ergeben.
Aber das meiste wird auf elektronischen Medien dargestellt und
vermittelt. Die Bearbeitung bis zum Ergebnis dauert bei der EMA
durchschnittlich 13 Monate. Dies beinhaltet auch Zeit für Rückfragen an
den Hersteller. Der kann Unterlagen und Ergebnisse nachreichen und
Fragen beantworten. Nach Zulassung kommt das Medikament in Deutschland
sofort auf den Markt.
Was passiert nach der Marktzulassung?
Die gesamte klinische Forschung hat sich eigentlich erst ab dem Moment
der Marktzulassung gelohnt. Damit beginnt die Phase IV, in welcher das
zugelassene Medikament auf Lebenszeit mit Argusaugen beobachtet wird.
Ähnlich wie der TÜV unsere Autos, so kontrollieren Behörden und
Hersteller nun das Medikament: Funktioniert es in erwarteter Weise und
ohne unvorhergesehene Nebenwirkungen zum Wohle der Patienten? Seltene
Nebenwirkungen oder Nebenwirkungen bei bestimmten Personengruppen können
jetzt erst sichtbar werden. Die klinische Phase konnte eine solche
Größenordnung und die Anwendung bei vielen verschiedenen Risikogruppen
nicht darstellen. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten können
ebenfalls beobachtet werden. Das ist vor allem bei chronisch kranken
Menschen, welche täglich 3 oder mehr Medikamente nehmen, äußerst
wichtig. Auch wird hier über weiterführende Studien entschieden. Bei
auffälligen Nebenwirkungen und Zwischenfällen greift ein
Schnellwarnsystem. Behörden und Hersteller informieren Ärzte und
Apotheken. Im Extremfall werden auffällige Medikamente vom Markt
genommen.
Fazit
Dem Laien sind die Dimensionen der Arzneimittelforschung meist nicht
klar. Wir haben zum einen den Faktor Zeit: Von ersten
Substanzerprobungen bis zur Zulassung vergehen mitunter über 10 Jahre.
Der zweite Faktor sind die Kosten: Von ca. 10.000 ins Auge gefassten
Substanzen schaffen es gerade einmal 10 bis in die klinische Phase.
Davon wird nur eine Wirkstoffkombination am Ende zu einem zugelassenen
Medikament. Schon 2010 wurden die Entwicklungskosten für ein
zugelassenes Medikament auf 1,3 Milliarden EUR geschätzt. Andere gehen
heutzutage von bis zu 3 Milliarden EUR aus. Auch unvorhergesehene
Faktoren bergen Risiken: Manchmal wird eine Studie aus Kostengründen
abgebrochen. Im anderen Fall hat eine Konkurrenzfirma ein vergleichbares
Produkt schneller auf den Markt gebracht.
Sie werden jetzt ein Medikament, dass Sie einnehmen, sicher mit anderen
Augen sehen. Und Sie können selbst zu seiner Sicherheit und
Weiterentwicklung beitragen: Melden Sie uns Ihre Nebenwirkungen
hier.